Valvuläre Herzerkrankungen

Autorenteam Kantonsspital St.Gallen

Aortenklappenstenose (AS)

Meist degenerative Verengungen der Aor­tenklappe mit Obstruktion des Blutflusses vom linken Ventrikel in die Aorta.

  • Prävalenz: Steigt mit Alter (2–7% bei Bevölkerung > 65 Jahre; 12% > 75 Jahre)
  • Ätiologie: V.a. Degeneration (80%), insbesondere bei bikuspiden Klappen (1–2% der Bevölkerung), selten rheumatisch

Prognose

  • Asymptomatisch (bei älteren Patienten schwierig zu erfassen, siehe Diagnostik): Jährliche Inzidenz des plötzlichen Herztodes < 1% und ereignisfreies Überleben innert 2 Jahren nur 20–50%!
  • Sobald symptomatisch jährliche Inzidenz des plötzlichen Herztodes 8–34% und 5-Jahres-Überleben 15–50%.
  • Die Mortalität unter medikamentöser Therapie bei inoperabler, symptomatischer, schwerer Aortenstenose lag im PARTNER Trial bei 50% innerhalb eines Jahres.

Diagnostik

  • Anamnese: Belastungsdyspnoe (NYHA I-IV), Angina Pectoris (CCS I-IV), Schwindel und Synkopen unter Belastung, im Alter oft unspezifische Symptome wie Ermüdbarkeit und Zeichen der Herzinsuffizienz,schwierig erfassbar bei (multimorbiden) Patienten mit geringer körperlicher Aktivität/Vermeidungsverhalten (s.u.).
  • Klinische Befunde: Raues mid- bis spätsystolisches Crescendo-decrescendo-Geräusch mit p.m. im 2. ICR rechts mit Fortleitung in die Carotiden (Lautstärke des Geräusches korreliert nicht mit dem Stenosegrad), 2. Herzton bei schwerer AS oft fehlend (oft in Kombination mit einem pulsus parvus et tardus)

Apparative Untersuchungen

  • EKG: > 80% unspezifisch, linksventrikuläre Hypertrophie
  • Transthorakale Echokardiografie (TTE): I.d.R. ausreichend zur Erfassung des Schweregrades der AS (Beurteilung der linksventrikulären Funktion [biplane EF, globaler longitudinaler strain, 3D EF], Aorta, andere Vitien, Hinweise auf pulmonale Drucksteigerung). Eine genaue Quantifizierung des Stenosegrades ist für den Vergleich im Langzeitverlauf notwendig.
Echokardiographische Kriterien schwere Aortenklappenstenose
Klappenöffnungsfläche (KÖF) Indexierte KÖF Mittlerer Druckgradient Maximale Spitzengeschwindigkeit Verhältnis Geschwindigkeitsintegral (AK/LVOT)
< 1.0 cm² < 0.6 cm²/m² > 40 mmHg > 4 m/s < 0.25
Bei diskrepanten Befunden oder nicht optimaler Untersuchungsqualität und bei Verdacht auf eine schwere AS weitere Diagnostik:
  • Belastungstest mittels Ergometrie/Laufband: Bei asymptomatischen Patienten zur Objektivierung der Belastbarkeit bzw Demaskierung der Symptome (IC), bei fehlender Blutdruckanstieg bzw. pathologischem Abfall (IIa C) Empfehlung für Klappeneingriff.
  • Dobutamin Stress-Echokardiografie: Bei eingeschränkter linksventrikulärer Funktion mit niedrigen Gradienten zum Unterscheiden zwischen «low-flow, low-gradient»- und «paradoxical low-flow, low-gradient»-Aortenstenose (chirurgische Mortalität bei ersterer 5%, bei letzterer ca. 32%)
  • Transösophageale Echokardiografie (TEE): Bei inkonklusiven TTE-Befunden zur Beurteilung der Klappenmorphologie und Planimetrie der Klappenöffnungsfläche im 3D Bild, multiplanare Quantifizierung des Aortenklappenannulus im 3D Datensatz vor perkutaner Aortenklappenimplantation (TAVI) bei Patienten mit schwerster Niereninsuffizienz alternativ zur CT-Diagnostik.
  • Koronarangiografie: Präoperativ/interventionell Frage nach relevanter KHK, ggf. simultane Druckmessung im linken Ventrikel und Aorta zur Quantifizierung der AS
  • Multislice Angio CT: Exakte Quantifizierung des Aortenklappenannulus multiplanar, Morphologie und Verkalkung der Aortenklappe, Anatomie der Koronarostien und Darstellung der Aorta und potentieller arterieller Zugangswege (femoral, subclavia, carotis, aortal, caval). Entscheidende Untersuchung für die korrekte Strategiewahl im Herzteam (v.a. TAVI und minimal invasiver Klappenersatz).

Verlaufskontrollen

  • Leichte AS: Bei jüngeren Patienten mit leichter Stenose ohne wesentliche Verkalkung 3- bis 5-jährlich Echokardiografie und Ergometrie
  • Mittelschwere AS: Alle 1–2 Jahre, bei symptomatischen Patienten und Erstdiagnose in 6 Monaten. «Mittelschwer» kann immer auch eine unterschätzte «schwere» Aortenklappenstenose sein.
  • Schwere AS, asymptomatisch: alle 6 Monate – jährlich mit Frage nach Neu-Auftreten von Symptomen, ggf. Ergometrie und Echokardiografie mit Frage nach Befundänderung (insbesondere der linksventrikulären Funktion)
  • Das NT-pro BNP kann zur Verlaufskontrolle nützlich sein
  • Kontrollintervalle individuell verkürzen z.B. bei Risikofaktoren (Verkalkung, rascher Gradientenanstieg) oder Malcompliance

Medikamentöse Therapie

  • Die schwere AS ist kausal medikamentös nicht therapierbar!
  • Nur Palliation oder kurzfristige Behandlung der Herzinsuffizienz (vor AKE/TAVI): z.B. Diuretika. CAVE: Hypotonien durch ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptorblocker oder Spironolacton vermeiden und keine negativ inotropen Substanzen verwenden.

Präoperative Risikostratifizierung

Zwei Score-Systeme: der US-amerikanische STS Score (http://riskcalc.sts.org) und der Europäische EuroSCORE II (www.euroscore.org/calc) werden zur Einschätzung der perioperativen Morbidität und Mortalität herangezogen. Die Scores sind abgeleitet aus Datenbanken des chirurgischen Klappenersatzes (AKE) und ungeeignet, um das individuelle Risiko eines perkutanen Klappeneingriffes (TAVI) zu beurteilen. Ein hohes operatives Risiko besteht bei einem STS oder EuroSCORE II ≥ 8% und ein niedriges operatives Risiko bei STS/EuroSCORE II 4%.

Für einen individuellen Therapieentscheid müssen bei der Diskussion im Herzteam (Herzteam: Invasiver Kardiologe, Herzchirurg, kardiovaskulärer Imaging-Spezialist, fakultativ: Intensivmediziner, Anästhesist, Hausarzt, Internist und Geriater) verschiedene klinische, anatomische und prozedurale Faktoren berücksichtigt werden. Zu diesen gehöhren: «Gebrechlichkeit» («Frailty»), Malnutrition, cognitive  Dysfunktion, schwere Lungenerkrankung, Nierenfunktion (insb. GFR ≤30 ml/min), Lebererkrankung, herabgesetzte Lebenserwartung, Porzellanaorta, intakte Bypässe nach ACVB-OP, thorakale Bestrahlung, Hinweise auf Endokarditis, femorale und andere Zugangswege, erwarteter Patient-/Prothesen-Mismatch, schwere thorakale Deformitäten, Anatomie des Sinus und der Koronarabgänge, Annulusgrösse, Thromben im Ventrikel/Aortal, relevante KHK, Aneurysmata, weitere Klappenerkrankungen etc. Der Vorschlag des Herzteams wird mit dem Patienten diskutiert, der dann selbst eine fundierte Entscheidung für eine Behandlung treffen kann.

Chirurgischer Aortenklappenersatz (AKE)

  • Früher alternativloser «Gold-Standard» – heute besteht die Möglichkeit einer biologischen TAVI (siehe nächster Abschnitt).
  • Weiterhin Standard bei gleichzeitig notwendiger Bypass-Operation (KHK) oder begleitender Aorten- oder Klappenchirurgie
  • Resektion und Ersatz der nativen Klappe unter Verwendung der Herz-Lungen-Maschine mittels Sternotomie oder alternativ minimal invasiver Zugangsweg von rechts parasternal oder mittels Hemi-Sternotomie
  • Für jüngere Patienten < 75 Jahre (< 65 Jahre gemäss AHA) mit niedrigem operativen Risiko  (STS und Euroscore II < 4%) (IB)
  • Die Wahl der Prothese (meachanisch vs. biologisch) basiert auf der Abwägung zwischen dem Risiko der Einnahme lebenslanger oraler Antikoagulation (OAK) versus Degeneration der implantierten (biologischen) Klappen. Die Entscheidung basiert auf dem Wunsch des aufgeklärten Patienten nach Diskussion im Herzteam.
  • Mechanische Prothese bei fehlenden Kontraindikationen für OAK, jüngeren Patienten < 40 Jahre, Hyperparathyreoidismus, Hämodialyse (IC), mechanische Prothese in anderer Position (IIa C), Patient < 60 Jahre (IIaB), längere Lebenserwartung und Kontraindikation für Re-OP/TAVI (IIa C)
  • Biologische Prothese bei nicht sichergestellter Antikoagulation, hohem Blutungsrisiko, herabgesetzter Lebenserwartung (IC), Re-OP aufgrund einer Klappenthrombose bei mechanischer Klappe trotz adäquater Antikoagulation (IC), Frauen mit Schwangerschaftswunsch (IIa C), ältere Patienten > 65 Jahre (IIa C)

Perkutane Aortenklappenimplantation (TAVI, Katheter-basiert)

  • Biologischer interventioneller Aortenklappenersatz wurde initial für inoperable Patienten entwickelt. Es zeichnet sich aber ein Paradigmenwechsel hin zu einem neuen «Gold-Standard» für den biologischen Klappenersatz ab. Dies geschieht aufgrund der besseren hämodynamischen Daten, fehlenden Hinweisen für eine unterlegener Haltbarkeit und dem niedrigeren, perioperativen Risiko der TAVI – trotz nach wie vor höherer Schrittmacherrate.
  • In Lokalanästhesie ohne Herz-Lungen-Maschine mit arteriellen Zugangsmöglichkeiten femoral und via A. subclavia, carotis oder transcaval; in Narkose auch nicht-femoral (transapical oder direkt aortal) – kann v.a. bei inoperablen Patienten erwogen werden (IIbC)
  • Ältere Patienten > 75 Jahre (> 65 Jahre gemäss AHA) oder Patienten mit hohem operativen Risiko (STS oder Euroscore II > 8% oder die aus anderem  Grunde ungeeignet für den operativen Klappenersatz sind (IA)
  • Die Diskussion im Herzteam ist obligatorisch und ermöglicht den Therapieentscheid unter Berücksichtigung individueller Faktoren und trägt der rasanten technologischen Entwicklung Rechnung.

Ballonvalvuloplastie

In Einzelfällen diskutieren: Hochrisikopatienten mit akuter hämodynamischer Instabilität als Überbrückung («bridge to therapy») vor AKE oder TAVI und Patienten, die mit schwerer Aortenklappenstenose eine unaufschiebbare nicht-kardiale Hochrisikooperation benötigen (IIb C).


Praktisches Vorgehen bei schwerer Aortenklappenstenose

Nach: Leitlinien Herzklappenerkrankungen ESC 2021, AHA/ACC 2020
AS= Aortenstenose, AKE= Aortenklappenersatz, LVEF= linksventrikuläre Auswurfsfraktion, TAVI= Transkatheter Klappenimplantation 1) OP sollte bei folgenden Risikofaktoren (IIa C) bedacht werden: Spitzengeschwindigkeit > 5.5 m/s, Schwere Verkalkung und Progression der Spitzengeschwindigkeit > 0.3 m/s/Jahr. Kann diskutiert werden (IIa C) bei 3× erhöhtem BNP ohne andere Erklärung. 2) Die Entscheidung soll im «Herzteam» aufgrund individueller klinischer Charakteristika und Anatomie getroffen werden

Aortenklappeninsuffizienz (AI)

Ist entweder Folge einer Läsion der Klappentasche oder eine Erkrankung der Aortenwurzel bzw. des Aortenklappenannulus:

  • Akut: Endokarditis, Typ A Dissektion der Aorta oder traumatisch
  • Chronisch: Bikuspide Aortenklappe, Dilatation des Aortenklappenannulus oder des Aortensinus (z.B. Marfan-Syndrom)

Prognose

  • Leichte bis mittelschwere asymptomatische AI: Gute Prognose, d.h. jährliche Mortalität ca. 1%
  • Schwere asymptomatische AI: Niedrige Mortalität, aber bei schwerer LV Dilatation (LVESD > 50 mm) beträgt die Wahrscheinlichkeit für Herzinsuffizienz und Tod 19% pro Jahr
  • Schwere symptomatische AI: Jährliche Mortalität ca. 10–20%
  • Akute AI: Hohe Mortalität

Diagnostik

  • Anamnese: Belastungsdyspnoe und/oder Angina pectoris, Palpitationen und Synkopen.
  • Klinische Befunde: Hohe Blutdruckamplitude, arterielle Pulsationen, diastolisches Geräusch mit Decrescendo-Charakteristik (vorgebeugt im Sitzen auskultieren), meist auch systolisches Austreibungsgeräusch (Pendelvolumen). Bei akuter AI ist das Geräusch kurz und v.a. bei Lungenödem schwierig zu diskriminieren!

Apparative Untersuchungen

  • Transthorakale Echokardiografie (TTE): Semiquantitative Erfassung des Schweregrades der AI, Ätiologie, Entscheidungsrelevante zusätzliche Befunde: LV-Auswurfsfraktion (biplane EF, 2D strain) und Grösse (LVESD, Volumen 3D), aortale Dimensionen (Annulus,  Sinus, Sinotubulärer Übergang, Ascendens) und begleitende Vitien.
  • Transösophageale Echokardiografie (TEE): Exakte morphologische Beurteilung der Klappentaschen (ein flail bedeutet immer eine schwere AI) und der Aorta, Alternative zum CT und MRI bei Niereninsuffizienz, ideal beim intubierten, dekompensierten Patienten in Notfallsituation.
  • Koronarangiografie/Rechtsherzkatheter: Präoperativ bei Patienten > 40 Jahre mit mittlerem-hohen kardiovaskulärem Risiko zur Beurteilung der KHK, semiquantitative Graduierung der AI und Hämodynamik bei inkonklusiven echokardiographischen Befunden, Beurteilung prä-/postkapilläre pulmonale Hypertonie
  • CT und MRI: Beurteilung des gesamten aortalen Gefässbaumes, Verkalkungen, seltenen Ursachen (Marfan, Vaskulitiden unterschiedlicher Genese, Lues); CT statt Koronarangiografie bei jungen Patienten mit niedrigem kardiovaskulären Risiko; Angio CT «TAVI-Protokoll» zur erweiterten OP Planung

Verlaufskontrollen

  • Leichtgradige AI:  2- bis 5-jährliche echokardiografische Kontrolle und jährliche klinische Beurteilung durch den Hausarzt
  • Mittelschwere AI: 2 Jahre klinisch als auch echokardiografisch Kontrolle (bei neu symptomatischen Patienten nach 6 Monaten)
  • Schwere, chronische AI bei stabilen Messwerten: alle 12 Monate Echokardiografie, aber bei Progredienz des Schweregrades oder Dilatationen der Aorta/des linken Ventrikels im Bereich der Grenzwerte: 6-monatige Kontrollen mittels Echokardiografie

Medikamentöse Therapie und Verhaltensmassnahmen

  • Behandlung einer evtl. arteriellen Hypertonie primär mit Vasodilatatoren (ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptor-Blocker) – nach Möglichkeit kein Betablocker
  • Bei Patienten mit Marfan-Syndrom (bzw. generell aortaler Dilatation) sind Betablocker und/oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker (gute Daten v.a. für Losartan) prä- und postoperativ angezeigt.
  • Vasodilatatoren zur kurzfristigen Herzinsuffizienztherapie vor OP
  • Bei schwerer AI oder grenzwertigen aortalen Durchmessern keine isometrischen Übungen, Kontaktsportarten, Wettbewerbe oder hohe körperliche Anstrengungen

OP-Indikationen für chirurgischen Aortenklappenersatz (AKE)

  • Mittelschwere AI und Herzoperation aus anderem Grund (Bypässe, Klappenoperation) (II a)
  • Symptomatische, akute schwere AI: Sofortige/dringliche Operation
  • Chronische, schwere AI:
    • Auftreten von Symptomen (I B)
    • Asymptomatischen Patienten mit Verschlechterung der linksventrikulären Funktion (EF < 50%;  I C; AHA ≤ 55%) oder Grössenzunahme in seriellen, vergleichbaren Messungen (LVESD >50 mm oder LVESDi > 25 mm/m2 BSA oder LVEDD > 65 mm). Die Sterblichkeit steigt bereits ab einem LVESDi > 20mm/m² BSA.
    • Ausgesuchte Patienten (TEE obligatorisch) mit Eignung für die Klappenreparatur (nicht verkalkt, Aortenwurzelerweiterung oder Prolaps) frühzeitige Diskussion im Herzteam

Perkutane Aortenklappenimplantation (TAVI) bei AI

  • Indikationsstellung bei inoperablen Patienten im Herzteam unter Berücksichtigung der individuellen Faktoren (nur in Ausnahmefällen möglich wegen fehlendem Kalk und oft zu grossem Annulus, CT nach «TAVI-Protokoll» obligatorisch).

Praktisches Vorgehen bei schwerer Aortenklappeninsuffizienz

Nach: Leitlinien Herzklappenerkrankungen ESC 2021 und ACC/AHA 2020
1) ≥ 45 mm Marfan-Syndrom + Risikofaktor, ≥ 50 mm Marfan-Syndrom oder bikuspide Klappe/Coarcatio + Risikofaktor; ≥ 55 mm für alle übrigen.
2) Diskussion der OP auch bei signifikanten Änderungen der linksventrikulären oder aortalen Dimensionen während Follow-up.

Mitralklappeninsuffizienz (MI)

Zweithäufigste Klappenerkrankung in der Allgemeinbevölkerung

  • Prävalenz: Mittelschwere oder schwere MI 1.7% in der Normalbevölkerung, 9.3% bei über 75-Jährigen

Ätiologie:

  • Primäre (organische) MI mit strukturellen/degenerativen Veränderungen der Klappe: Prolaps, «Flail leaflet» bei Sehnenfadenabriss, myxomatöse Veränderungen, rheumatische Erkrankung, Endokarditis, Cleft, Papillarmuskelruptur nach Myokardinfarkt
  • Funktionelle MI mit strukturell normaler Klappe: Isolierte Annulusdilatation bei Vorhofsvergrösserung, «Tethering» der Klappensegel bei LV-Dilatation, ischämisch bei Papillarmuskeldysfunktion oder nach Infarkt

Prognose

Bei Leichter MI besteht keine Einschränkung der Lebenserwartung. Die chronische MI wird gut toleriert und bleibt lange asymptomatisch. Bei zunehmender linksventrikulärer Leistungseinschränkung kommt es zu klinischen Symptome: Dyspnoe, Herzklopfen (Vorhofflimmern bei Vorhofdilatation), Orthopnoe, nächtliche Hustenanfälle. Die asymptomatische schwere MI hat eine 5-Jahres-Wahrscheinlichkeit für kardiale Ereignisse (Tod, Herzinsuffizienz, VHF) von 14–33%. Die schwere symptomatische funktionelle MI (mit oder ohne KHK) sowie die akute schwere MI (Papillarmuskelabriss nach Myokardinfarkt; Sehnenfadenabriss) haben ohne medikamentöse und chirurgische Therapie eine sehr schlechte Prognose.

Diagnostik

  • Anamnese: Dyspnoe (NYHA I-IV), Orthopnoe, Palpitationen (Vorhofflimmern); Bei chronischer MI oft lange asymptomatischer Verlauf
  • Klinische Befunde: Unmittelbar nach dem eher leisen ersten Herzton hochfrequentes, bandförmiges Systolikum mit p.m. über der Herzspitze mit Fortleitung in die Axilla (Auskultation in Linksseitenlage!)

Apparative Untersuchungen

  • EKG: p-Mitrale, (paroxysmales) Vorhofflimmern
  • Transthorakale Echokardiografie (TTE): Schweregrad der MI, Volumetrie und Funktion des linken Ventrikels (ESD, biplane EF, 2d Strain), Vorhofsgrösse
  • Transösophageale Echokardiografie (TEE): Bei diskrepanten Befunden oder V.a. relevante MI (sog.«mittelschwere» MI und symptomatischer Patient), exakte Regurgitationsvolumina mittels 3D-Volumetrie, Area Contracta im Farb-3D Datensatz, präoperativ/interventionell zur exakten Erfassung der Morphologie (3D-Darstellung der Mitralklappe)
  • Physikalische Belastung mit zusätzlicher Echokardiografie auf dem Liegevelo: Unklare Fälle oder bei dynamischer (ischämischer) MI
  • Koronarangiografie/Rechtsherzkatheter: Präoperativ/interventionell Frage nach KHK, ergänzende Beurteilung des Schweregrades der Mitralinsuffizienz und der Abklärung einer allfälligen begleitenden pulmonalen Hypertonie

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie der degenerativen MI ist indiziert bei der Entwicklung einer systolischen Dysfunktion und gleichzeitig ist die operative Indikation zu prüfen. Im Gegensatz dazu ist bei der funktionellen MI die medikamentöse Therapie der Linksherzinsuffizienz der erste Schritt der Behandlung. Das Prinzip ist gleich bei beiden Pathologien und beinhaltet insbesondere eine Nachlastsenkung (siehe Kapitel Herzinsuffizienz). Achtung: Zu starke Bradykardisierung vermeiden.

Chirurgische Therapie

  • Indikationsentscheidung siehe Grafik
  • Mitralklappenrekonstruktion (MKR, konventionell oder minimalinvasiv): Bei passender Klappenmorphologie Methode der Wahl beim Patienten mit niedrigem operativem Risiko und degenerativer MI. Bei funktioneller MI ist eine Reparatur nicht besser als Klappenersatz. Die Reparatur beinhaltet Mitralringimplantation, Segelresektion und Einsatz künstlicher Sehnenfäden.
  • Mitralklappenersatz (MKE, biologisch oder mechanisch): Bei schwer vorgeschädigter nativer Herzklappe oder rheumatischer Erkrankung, die eine Reparatur verunmöglicht. Mechanische (jüngere Patienten < 65 Jahre; IIa C) oder biologische (ältere Patienten > 70 Jahre; IIa C) Prothese. Im Alter 65–70 Jahre sind beide Prothesen möglich. Die Wahl der Prothese ist immer eine individuelle Entscheidung basierend auf der Einnahme lebenslanger oraler Antikoagulation (mechanisch) versus Degeneration der implantierten (biologischen) Klappe und basiert auf dem Wunsch des aufgeklärten Patienten (I C).

Perkutane Behandlungsmöglichkeiten

Die katheterbasierte «Edge-to-Edge Therapie («TEER») mittels MitraClip oder Pascal Device kommt bei HochrisikoPatienten (Herzteam-Diskussion) mit schwerer, funktioneller oder degenerativer MI zum Einsatz. Ist aber nicht anwendbar bei Endokarditis, rheumatisch veränderten oder stark verkalkten Klappen. Weitere Verfahren sind in der Entwicklung, in klinischer Erprobung und teils auch schon klinisch verfügbar (perkutane Ringannuloplastie, perkutaner Klappenersatz).

Die 3 Jahresdaten der COAPT Studie zeigen klar eine Überlegenheit der perkutanen «Edge to Edge» Reparatur in Kombination mit optimaler leitliniengesteuerter medikamentöser Therapie der Herzinsuffizienz gegenüber der alleinigen medikamentösen Therapie. Voraussetzung sind schwere Mitralinsuffizienzen, die nicht zu spät therapiert werden (EF 20-50%, LVESD < 70 mm, PASP ≤ 70 mmHg).


Behandlung der schweren degenerativen (primären) Mitralklappeninsuffizienz (MI)

Nach: Leitlinien Herzklappenerkrankungen ESC 2021
BSA= Körperoberfläche; LA= linker Vorhof; LVEF= linksventrikuläre Auswurffraktion; LVESD= Linkventrikulärer enddystolischer Durchmesser, sPAP= systolischer pulmonal-arterieller Blutdruck; TEER= Transkatheter Edge-to-Edge-Therapie; VHF= Vorhofflimmern
1) Asymptomatischer Patient, hohe Reparaturwahrscheinlichkeit (>95%, niedriges Risiko <1%), LVEF <60%, LVESD ≥40mm LA-Volumen ≥ 60 ml/m² BSA oder > 50mm, sPAP > 50mmHg, VHF.
2) Erweiterte Herzinsuffizienztherapie beinhaltet kardiale Resynchronisationstherapie (CRT), Mitraclip, linksventrikuläre Assist Devices (LVAD), Herztransplantation.

Behandlung der schweren funktionellen (sekundären) MI

Nach: Leitlinien Herzklappenerkrankungen ESC 2021
AS= Aortenklappenstenose; CABG= Koronararterien-Bypass, CRT= Kardiale Resynchronisationstherapie, HTx= Herztransplantation; LVAD= LV-Unterstützungssystem; LV/RV= Linker/Rechter Ventrikel; MK= Mitralklappe; KHK= Koronare Herzkrankheit; PCI= Perkutane Koranar-Intervention; SAVR= Chirurgischer Aortenklappenersatz; TAVI= Transkatheter-Aortenklappen-Implantatlon; TEER= Transkatheter Edge-to-Edge-Therapie

Mitralklappenstenose (MS)

Insgesamt selten: Meist degenerativ (Einschränkung der Segelbeweglichkeit über eine Annulusverkalkung) und auch kongenitale Formen

Prognose/Verlauf

Der Krankheitsverlauf ist schleichend. Im Mittel vergehen 16 Jahre zwischen dem rheumatischen Fieber und dem Vorliegen einer relevanten Mitralstenose.

Diagnostik

  • Anamnese: Eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Dyspnoe (NYHA I-IV), Müdigkeit, Hämoptysen, Palpitationen, systemische Embolien bei Vorhofflimmern
  • Klinische Befunde (Auskultation in Linksseitenlage, maximal über Herzsspitze): «paukender» 1. Herzton, niederfrequentes Decrescendo-Geräusch in der Diastole, präsystolischer Klick

Apparative Untersuchungen

  • EKG: p-Mitrale, Vorhofflimmern
  • Transthorakale Echokardiografie (TTE): Beurteilung des Schweregrades, Verkalkung, andere morphologische Veränderungen zur Klassifizierung nach Wilkins vor evt. Ballonvalvuloplastie, Planimetrie der Öffnungsfläche im 3D-Datensatz
  • Transösophageale Echokardiografie (TEE): Genaue morphologischen Beurteilung der Klappe und des subvalvulären Apparates, Nachweis/Ausschluss linksatrialer Thromben, ­3D zur multiplanaren Quantifizierung der Klappenöffnungsfläche
  • Stress-Echokardiografie (Dobutamin, idealerweise auch physikalisch): Bei leichter/mittelschwerer Mitralstenose und ungeklärter Dyspnoe
  • Koronarangiografie/ Rechtsherzkatheteruntersuchung: Präoperativ/interventionell Frage nach KHK, simultane Messung PCWP/LV-Druck zur Gradientenbestimmung

Medikamentöse Therapie

  • OAK mit VKA z.B. Phenprocoumon (Marcoumar; INR-Ziel 2-3) bei allen Patienten mit Vorhofflimmern oder nach arterieller Embolie (kein NOAK!). Bereits bei mittelschwerer Mitralstenose ist eine OAK zur Verhinderung thromboembolischer Ereignisse auch bei Sinusrhythmus angezeigt bei Vorliegen eines schwer vergrösserten linken Vorhofs (> 60 ml/m² oder > 50 mm Mode Diameter).
  • Patienten mit relevanter (d.h. mittelschwerer bis schwerer) Mitralstenose benötigen für eine ausreichende Ventrikelfüllung eine lange Diastole – daher muss (v.a. bei Vorhofflimmern) auf eine gute Frequenzkontrolle geachtet werden.
Katheterbasierte/chirurgische Intervention bei symptomatischen Patienten mit schwerer (<  1.5 cm²) – sehr schwerer (< 1.0 cm²) MS:

Perkutane Mitralklappenkommissurotomie (PMC):

  • Klasse I B-Empfehlung bei geeigneter Anatomie und bei Kontraindikation oder hohem OP-Risiko auch bei anderen Patienten (I C); Bei suboptimaler Anatomie IIa C
  • Die PMC erfolgt mithilfe eines Ballonkatheters bei geeigneten Patienten (Echo-Score nach Wilkins) mit gutem Primärergebnis in > 80% der Patienten und ereignisfreiem Überleben von 30–70% über 10–20 Jahre.
  • Entscheidung über PMC nach klinischen Daten und Echo-Score: Beste Resultate bei jungen Patienten mit niedrigen Score-Werten, Sinusrhythmus, minimalen Verkalkungen und ohne begleitende Mitralklappeninsuffizienz. Kontraindikationen sind linksatrialer Thrombus, kommissurale schwere Verkalkungen, keine kommissurale Fusion und mehr als leichte Mitralinsuffizienz.

Chirurgische Therapie

  • Meist Mitralklappenersatz (MKE) aufgrund der Klappendestruktion
  • In sehr spezifischen Fällen kann die Klappe rekonstruiert werden

Trikuspidalinsuffizienz (TI)

  • Prävalenz: Häufigste Manifestation der Trikuspidalklappenerkrankung und kann bis zu 65-85% der Bevölkerung weltweit betreffen (moderat-schwer Prävalenz 0.6%, 4% bei über 75jährigen)

Ätiologie und Pathophysiologie

  • Die primäre (degenerative) Klappenläsion ist selten: Kongenital (Ebstein-Anomalie, Trikuspidalklappe mit doppelter Orifice, Trikuspidalklappendysplasie, Hypoplasie oder Cleft), Trauma (Brustwandtrauma, Endomyokardbiopsie), andere (Karzinoid-Syndrom, Endomyokardfibrose oder Endokarditis, iv Drogen). Ein zunehmendes Problem sind Schrittmacher oder ICD Elektroden mit Perforationen, Verwachsungen und Verziehungen der Trikuspidalklappensegel und sekundärer TI in 20-30% aller Schrittmacherpatienten.
  • Am häufigsten ist die funktionelle (sekundäre) Trikuspidalklappeninsuffizienz (fTI) und betrifft > 90% der Fälle. Als Folge des negativen Remodellings eines überlasteten rechten Ventrikels (RV) kommt es zur Annulusdilatation und sekundär zur fehlenden Koaptation der Trikuspidalklappensegel. Hauptursachen sind eine relevante linksseitige Herzerkrankung oder eine pulmonale Hypertonie. Kann aber auch bei lang anhaltendem Vorhofflimmern und rechter Vorhofvergrösserung mit folgendem Remodelling des Trikuspidalannulus (und eben nicht des RV) beobachtet werden.

Diagnostik

  • Anamnese/Klinik: Meist unspezifisch und bei der fTI meist auf die linksseitige Herzerkrankung zurückzuführen. Rechtsseitige Symptome treten meist erst im Spätstadium auf mit verminderter Herzleistung (Kurzatmigkeit, Müdigkeit) und venösen Stauung (Hepatosplenomegalie, Gastropathie, Darmstauung, Ödem und Aszites)
  • Labor: Leberwerterhöhungen und Einschränkung der Nierenfunktion. Auch bei isolierter schwerer TI ist das BNP (≥ 200 pg/ml) ein negativer prognostischer Parameter.

Klinische und diagnostische Stadieneinteilung
Nach: Leitlinien Valvuläre Herzerkrankung ACC/AHA 2020
ERO = Effektive Regurgitationsöffnungsfläche; RA = rechter Vorhof, TI = Trikuspidalklappeninsuffizienz
Stadium Definition Hämodynamik Folgen Klinisches Bild
B Zunehmende TI Zentraler Jet < 50% RA, Vena contracta< 7 mm, ERO < 0,4 cm², Regurgitations-volumen < 45 ml keine asymptomatisch
C Asymptomatische schwere TI Zentraler Jet ≥ 50% RA, vena contracta ≥ 7 mm, ERO ≥ 0.4 cm², Regurgitationsvolumen ≥ 45 ml, dichtes, dreiecksförmiges cw-Doppler Signal, Systolischer Rückfluss Lebervene Dilatierter rechter Ventrikel und rechter Vorhof
Erhöhter RA Druck mit «c-V» Welle

Erhöhter zentralvenöser Druck

asymptomatisch

D Symptomatische schwere TI siehe C siehe C Erhöhter zentral-venöser Druck,
Belastungsdyspnoe, Erschöpfung, Aszites, Ödem

Apparative Diagnostik

  • Echokardiografie: Linksseitige Herzfehler und LV Funktion, RV-Funktion (Dimensionen, Funktion: longitudinaler 2D strain der RV Lateralwand, TAPSE, FAC, S-TDI lateral, 3D RV Volumina/RV-Funktion ), Grösse Trikuspidalannulus und Klappeninsuffizienz (biplane vena contracta, area contracta (3D), PISA, cw-Signal, hepatischer Rückfluss, flail leaflet, Retraktion, Koaptationsdefizit)
  • Transösophageales Echografie: (ggf. ergänzend) Schrittmachersonden, Klappenmorphologie, 3D zur multiplanaren Darstellung der fehlenden Koaptation, Farb-3D für area contracta der TI, Beurteilung der Bildqualität (vor TEE-gesteuertem Eingriff)
  • Rechtsherzkatheter/Koronarangiografie: Exakte Bestimmung der rechtsseitigen Drücke (obligat bei schwerer TI), Herzminutenvolumen, KHK beim älteren Patienten zur Risikostratifizierung
  • CT: V.a. vor chirurgischer/interventioneller Reparatur zum Ausschluss relevanter Verkalkungen, exakte Anatomie, Ausschluss KHK beim jungen Patienten
  • MRI: Rechtsventrikuläre Volumina/Funktion, falls Echo inkonklusiv

Medikamentöse Therapie

Therapie der Grunderkrankung bei fTI mit Einsatz von Diuretika zur Milderung der Symptome bei schwerer TI (IIa C), auch intensiviert iv zur Vorbereitung perkutaner Eingriffe. In Kombination mit Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten um die bei Patienten mit Leberstauung beobachtete Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems abzuschwächen. Diskussion pharmakologischer Therapien zur Senkung des pulmonalen Gefässwiderstands (IIb C).

Wichtig: Alle Patienten frühzeitig (schon bei moderater TI) im Herzteam (Klinischer Kardiologe, Herzinsuffizienzspezialist, Herzchirurg und struktureller/interventioneller Kardiologe) diskutieren um rechtzeitig Therapiemöglichkeiten aufzuzeigen und den Patienten einbeziehen.

Chirurgische und Interventionelle Therapie

  • Chirurgische Klappenreparatur/ersatz ist die optimale Korrekturmethode bei schwerer primärer symptomatischer Trikuspidalinsuffizienz. Viele Patienten werden aber zu spät vorgestellt und sind dann inoperabel oder haben ein hohes chirurgisches Risiko aufgrund von Begleitpathologien und schwerer RV-Dysfunktion.
  • In den letzten Jahren Entwicklung von Trans-Katheter-Trikuspidalklappeninterventionen (TTVI). Bislang liegen gute Daten vor für die Durchführbarkeit und Sicherheit für für Edge-to-Edge (TEER), Ringannuloplastie als auch Klappenersatz; Langzeitergebnisse sind ausstehend.

Management der schweren Trikuspidalklappeninsuffizienz
Nach: Leitlinien Herzklappenerkrankungen ESC 2021
LV= linker Ventrikel; RV= rechter Ventrikel; TI= Trikuspidalinsuffizienz; TK= Trikuspidalklappe

Klappenerkrankungen und perioperatives Management bei «nicht-kardialen Operationen»

Allgemein gilt bei asymptomatischen Patienten und nicht-kardiale Operation mit niedrigem oder intermediärem Risiko primär Operation unter gutem Monitoring. Und bei hohem Operations-Risiko und bei gleichzeitig niedrigem Risiko für die Klappenoperation sollte nach Diskussion im Herzteam primär der Klappenersatz durchgeführt werden.
Nicht-kardiale Eingriffe sind mit vertretbarem Risiko möglich bei Patienten mit relevanter AI und MI (auch schwer), wenn die linksventrikuläre Funktion normal ist. Das gleiche gilt bei asymptomatischen Patienten mit MS ohne relevante pulmonale Hypertonie (sPAP < 50 mmHg). Bei Patienten mit symptomatischer AS und niedrigem Operations-Risiko für den Klappenersatz primär Klappenoperation/-eingriff.

Follow-up bei Klappenerkrankungen postoperativ/postinterventionell

Allgemeines

  • Endokarditisprophylaxe (siehe Seite) bei allen implantierten Fremdmaterialien incl. Ring, Neochord, TAVI, Mitraclip, Cardioband
  • Regelmässige Zahnreinigungen und Kontrollen
  • 3 Monate postoperativ Standortbestimmung mit Röntgen-Thorax, Labor, Echokardiografie
  • Jährliche klinische Verlaufskontrollen (bei Symptomen zeitnah) mit Labor und Echokardiografie (v.a. bei biolog. Prothesen):
    • Biologische Klappen: Degeneration? Gradienten? Paravalvuläre Leckage? Zusatzstrukturen? Bei Verdickung im 2D oder Gradientenanstieg im Cw-Doppler besteht der V.a. Thrombose und eine Therapie mit Vitamin K-Antagonist (VKA) z.B. Phenprocoumon (Marcoumar) mit Ziel-INR 2–3 muss diskutiert werden (kein NOAK)
    • Mechanische Klappen: Hämolyse? INR-Werte? Bei schwieriger Beurteilung/Gradientenzunahme im Echo ggf. TEE und Klappendurchleuchtung

Mechanische Klappen

  • VKA-Therapie z.B. Phenprocoumon (Marcoumar): INR-Zielwerte nach Massgabe des Chirurgen/Klappentyp/Risikofaktoren (siehe Tabelle): üblicherweise moderner AKE 2.5 (+ Risikofaktor 3.0); MKE/TKE 3.0 (kein NOAK!)
  • Zusätzlich Aspirin cardio 100 mg/Tag bei thrombembolischen Ereignissen trotz INR im Zielbereich (IIa C)
  • INR-Selbstmonitoring bei mechanischen Klappen und geeigneten Patienten empfohlen (I B)
Nach: Leitlinien Herzklappenerkrankung ESC 2021
a Mitral-​ oder Tri­kuspi­dal­klap­pen­er­satz; frühe­re Throm­bo­em­bo­li­en; AF; Mitrals­teno­se jeg­li­chen Gra­des; LVEF < 35 %.
b Car­bo­me­dics, Med­t­ro­nic Hall, ATS, Med­t­ro­nic Open-​Pi­vot, St Jude Me­di­cal, So­rin Bicarbon.
c An­de­re Dop­pel­flügel­klap­pen mit un­zu­rei­chen­den Da­ten.
d Lil­le­hei-​Kas­ter, Om­ni­sci­ence, Starr-​Ed­wards (Ball-​Cage), Bjork-​Shi­ley und an­de­re Kipp­schei­ben­klap­pen.
INR-Zielwert bei mechanischen Klappenprothesen
Prothesen-Thrombogenität Patientenbezogene Risikofaktorena
Kein Risikofaktor > 1 Risikofaktor
Niedrigb 2.5 3.0
Intermediärc 3.0 3.5
Hochd 3.5 4.0

Biologische Klappen

  • Nach biologischem Mitral-/Tricuspidalklappenersatz: VKA z.B. Phenprocoumon (Marcoumar) mit Ziel-INR 2.5 für 3 Monate (IIa C) bei niedrigem Blutungsrisiko. Bei biologischer Klappe und VHF VKA oder Edoxaban (ENAVLE trial).
  • Nach biologischem Aortenklappenersatz: Aspirin 100 mg/Tag für 3 Monate möglich (IIa C)
  • Nach TAVI: Aspirin cardio 100 mg/d oder bei vorbestehender Indikation für OAK (zB VHF) VKA z.B. Phenprocoumon (Marcoumar) mit Ziel-INR 2.5 (Kein Rivaroxaban: Negativstudie, Blutung und Sterblichkeit waren erhöht)

Quelle/Link

 

Dr. Philipp K. Haager
Dr. Niklas Ehl
Dr. Philipp Baier
Dr. Lucas Jörg
PD Dr. Maurizio Taramasso

Lizenz

Icon für Creative Commons Nammensnennung 4.0 International

Valvuläre Herzerkrankungen Copyright © by Autorenteam Kantonsspital St.Gallen is licensed under a Creative Commons Nammensnennung 4.0 International, except where otherwise noted.